Prinzessin der Scheiben
(Page bei Rider/Waite, Tochter bei Haindl)

Geliebte und düstere Muse - Überlegungen von Frank Tireur (Auszug)

Prinzessin der Scheiben - Crowley / Harris Seltsamerweise scheint kaum ein Interpret diese Karte schwierig zu finden. Sie ist es aber - in der Symbolbedeutung ebenso wie in ihrer Gesamtheit.

Auf jeden Fall ist es eine machtvolle Karte mit einer Unvorhersehbarkeit, die durchaus Angst machen kann und gleichzeitig über eine Anziehungskraft verfügt, die gleichzeitig vollkommen sexueller und vollkommen asexueller Natur ist.

Jungfrau und gleichzeitig werdende Mutter, erregend und gleichzeitig unberührbar, so lange es nur um Lust geht. Sie überbringt eine Botschaft; ist, wie Barbara Walker feststellt: Lehrmeisterin als Vermittlerin der Inspiration.

Walker beschreibt sie als Nimue (Göttin der Druidinnen) und Hüterin der Haine (Feenhaine). Sie ist die Todesbringerin von Merlin, aber weitaus mehr als nur das - sie ist ihm Muse, Geliebte zugleich. Crowley erfaßt diese Urweiblichkeit und die Unvorhersehbarkeit voll und ganz und zieht zum Vergleich die I Ging-Hexagramme 52 und 31 heran. Dort geht es um Stille, um Innenschau und Meditation. Bei Fiedeler haben die beiden Hexagramme eine weitaus stärker sexuelle Bedeutung. Hexagramm 31 als Vereinigung, Hexagramm 52 als Abkehr (aufgrund von Schwangerschaft, also, weil das Ziel der Vereinigung erreicht ist). Es geht prinzipiell um das Zusammenführen von männlich und weiblich, Yin und Yang (bei Crowley thematisiert). Es geht auch um Rituale (im Hain, im Zeichen des Mondes, Erde zu Erde, Fruchtbarkeit).

Einweisungen in Rituale, Inspiration, Liebe (über das persönliche hinaus)werden bei Haindl zum Ausdruck gebracht. Walker weist darauf hin, daß diese Karte traditionell die "Weisheit der Zeitalter" repräsentiert, für Konzentration steht, für den Erwerb von Wissen, scheinbar neuem Wissen, das aber in Wirklichkeit schon sehr alt ist.

"Lernen heißt, sich zu erinnern." (Plato)

Ritus und Magie im Sinne von Einweihung und Initiation (auch bei Haindl thematisiert, selbst bei Crowley - dort natürlich sexualmagisch).
Schwangerschaft heißt, etwas Neues in sich wachsen zu lassen, etwas, das durch eine Vereinigung (Übertragung / Austausch von Informationen, Erinnerung, gespeichertem Wissen) entsteht und eine Bereicherung darstellt.

So finde ich Hexagramm 61 - innere Weisheit, innere Wahrheit sehr passend (wie auch Hexagramm 41 und 42 als Minderung [m] und Mehrung [w].)

(...)

Der Moment der großen Klarheit. Lichtheit. Leere und luftige Fülle. Moment der Freude und Gelöstheit. Ein überwältigender, erotisierender Moment, besser als Sex. Erotik in diesem Sinne, vielleicht "Heureka", der Punkt kurz vor dem Gipfel, oder genau darauf (beim Orgasmus), das alles kann zu einem Lachanfall oder einem Tränenstrom führen. Und wißt ihr was? Es ist ein und das selbe.

Hingabe.

Danach weiß man mehr. Für alle Zeiten.
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Mit freundlicher Genehmigung von Frank Tireur (c) 1998.

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